Vor ein paar Tagen stand ihre Anschaffung zum ersten Mal im Raum. Lange hatte ich mich gegen sie gewehrt. Aber an kalten Herbstabenden wie dieser einer war, wäre mir mit ihrer Existenz etwas Entscheidendes erspart geblieben: noch einmal aufstehen zu müssen.
„Wenn wir jetzt eine Alexa hätten“, sagte ich im Halbschlaf. Mit einer zu großen Menge an zu erledigenden Aufgaben verlangte mein Gehirn nach Unterstützung. Ich wusste, wenn ich mir den Termin morgen nicht noch aufschreiben würde, könnte ich erstens nicht einschlafen und zweitens würde ich ihn mit sehr großer Wahrscheinlichkeit einfach vergessen.
Taumelnd lief ich zum Schreibtisch: Kalender aufgeklappt, Kuli gezückt, Termin eingetragen, zurück geschlichen. Mit Alexa oder einer anderen Form von KI, der ich meine to do’s einfach diktieren könnte, wären diese Schritte durch einen einfachen Satz ersetzt gewesen.
In aktuellen Diskussionen rund um Alexa, Siri und Co. wird oftmals eines betrieben – die Fokussierung darauf, wie sie unser Leben erleichtern können. Ja, ich gebe zu: Ein Satz ist schneller gesagt, als die Schritte zum Schreibtisch getan sind. Aber hätte ich genauso gut einschlafen können, wenn ich den Termin einem Computer diktiert hätte? Hätte mir der „Schwarz-auf-Weiß“-Moment gefehlt? Ich weiß es nicht.
Damit sind wir bei dem Thema, das mich umtreibt, wenn ich über KI nachdenke: Verantwortung. Bin ich bereit, diese abzugeben? Wenn ja, in welchem Umfang? Wo sind die Grenzen? Wenn eine künstliche Intelligenz meinen Termin korrekt im digitalen Kalender einträgt und automatisch Milch nachbestellt, sobald der Kühlschrank leer ist; kann ich dann auch von ihr verlangen, dass sie ein gerechtes Urteil in einem Prozess fällt? Wie und woher soll sie überhaupt wissen, was Gerechtigkeit ist?
Anders gesagt: Kann KI irgendwann tatsächlich „menschlich“ und damit ethisch denken und handeln oder bleibt sie vor allem eins – ein mächtiges Marketinginstrument in einer vom Konsum bestimmten Welt?
In einer Dokumentation über den digitalen Wandel, die ich vor ein paar Wochen gesehen habe, wurde ein Feldversuch der Uni Siegen in Kooperation mit einem Altenpflegeheim vorgestellt. In diesem wird der menschenähnliche Roboter Pepper vor allem dazu eingesetzt, den Bewohnern etwas Unterhaltung zu bieten. Pepper kann auf seinem Touchscreen Bilder anzeigen oder Musiktitel aus einer digitalen Bibliothek abspielen. Klingt erstmal vielleicht ganz lustig und kommt auch erstaunlich gut bei der Zielgruppe an. Doch was machen solche Erfahrungen langfristig mit uns und wie verändern sie unsere Gesellschaft? Was, wenn wir irgendwann keine real existierenden Fotoalben mehr in den Händen halten und anschauen können und wir statt gemeinsam zu singen nur noch vor einer Box sitzen, die Musik streamt?
Ja, vielleicht ist der Vergleich zu meiner Termineintragung nicht gerechtfertigt. Und ja, vielleicht führen meine Zweifel zu weit. Die Zukunft – und damit Neues aus Digitalien – wird kommen. Aufhalten können wir den technischen Fortschritt auch rund um künstliche Intelligenz nicht. Wir sollten uns dennoch jetzt schon ganz genau überlegen, wie wir mit ihren Errungenschaften am besten umgehen.
Ich für meinen Teil habe mir wieder ein kleines Notizbuch ans Bett gelegt. Ganz oldschool wie zu Uni-Zeiten, in denen ich nachts Hausarbeiten schrieb. Das erspart mir gleich zwei Dinge: Lästiges Aufstehen und die Anschaffung eines kleinen Roboters, den ich persönlich noch lange nicht für mündig halte.