Hotel California

“You can check out anytime you like, but you can never leave” 

The Eagles: Hotel California, 1976

 

Es ist einer der größten Songs von einer der bekanntesten Bands: „Hotel California“ von den Eagles aus dem Jahr 1976.

Die Geschichte ist schnell zusammengefasst: Ein Reisender fährt durch die dunkle Sommernacht, wird müde und beschließt, ein Hotel aufzusuchen, um dort zu übernachten. Sein schwerer Kopf führt ihn geradewegs in das Hotel, das dem Lied seinen Namen gibt: Hotel California. Er bezieht sein Zimmer und merkt schnell, dass er in einem besonderen Haus gelandet ist: 

 

„There she stood in the doorway; 

I heard the mission bell
And I was thinking to myself,
This could be Heaven or this could be Hell"


Und mit diesen ersten Zeilen befinden wir uns schon mitten in der Interpretation...

Im Netz finden sich zahlreiche Deutungsversuche, die schnell recherchiert sind. Für mich Grund genug, auf persönliche Spurensuche zu gehen. Songschreiber Don Henley ist übrigens genervt, weil er immer wieder nach der Inspiration für das Lied gefragt wird.

 

Text und Klang klingen in so manchen Ohren nach. In meinen spätestens seit meiner ersten Reise nach Los Angeles – als einer von vielen Songs auf meiner California-Playlist, die bei jedem Hören Erinnerungen und Sehnsucht weckt. „Hier, das ist das Hotel aus dem Lied!“, scherzte ich damals, als wir direkt an der Ocean Avenue an diesem Hotel vorbeifuhren. Tatsächlich nutzen viele Hotels den Namen für Werbezwecke und auch die Bandmitglieder dementierten mehrfach, dass das Lied auf ein real existierendes Hotel California Bezug nimmtAber was man glauben will, kann ja durchaus Realität werden...

 

Danach: Stille. Bis ich in einer Vorlesung über „Popkultur“ lande. Der Professor (ausgewiesener Eagles-Fan) lässt an einem dunklen Freitagmorgen im Wintersemester das Lied durch den Hörsaal fliegen – und Zeilen aus Christian Krachts „Faserland“ tauchen vor meinem Auge wieder auf. Ich sehe den Parallelen beim Zeichnen zu.

 

Für mich schickt Kracht seine Figuren auf dieselbe Sinnsuche, auf der auch der Ich-Erzähler aus dem Song ist. Das Ziel: die Realität verblenden. Das Mittel: „pink champagne on ice und andere Drogen. Dekadenz, Luxus, Drogen – das alles hilft den beiden Suchenden nicht auf ihrer ganz persönlichen Reise. Alles, was es schafft, ist eine kurze Flucht aus der Realität. So kurzwie es das Bewusstsein zulässt:


„And still those voices are calling from far away,
Wake you up in the middle of the night

Just to hear them say

 

Kaum sind sie zurück, dominiert wieder die innere Zerrissenheit. Einher damit geht die Erkenntnis, dass es keinen Ausweg aus der eigenen Sinnkrise geben kann, denn „We are programmed to receive.“ Für mich eine der stärksten Zeilen des Textes und ein großer Moment der Selbstreflexion: „You can check out anytime you like, but you can never leave“.

 

Während Krachts Figur sich explizit auf Drogenpartys rumtreibt, bleibt der Songtext implizit. Das spanische Wort „Colitas“ jedoch kann als „Haschisch“ übersetzt werden. Das legt nahe, beide Texte als Geschichten Drogenabhängiger zu lesen. Diese Interpretation bleibt mir zu eng, es steckt soviel mehr Bedeutung in den Zeilen. Schließlich ist ein Text auch immer das, was der Leser daraus macht – und das, was er mit dem Leser macht. Manchmal lässt er uns abtauchen, zweifeln, rätseln – oder sprachlos zurück. Genauso sprachlos und verloren wie es seine Figuren selber sind: „Bald sind wir in der Mitte des Sees. Schon bald.“ (Christian Kracht: Faserland, S. 151).